Grabmahl Samuel und Marie Kühn – sogenannter „Fünfkinderstein“
Gurlitt bezeichnete dieses schlichte Grabmahl aus hellem Sandstein als „ein Wahrzeichen der Stadt“ Lommatzsch.
Auf der Rückseite des 1630 x 1000 x 205 mm in Höhe, Breit und Stärke messenden Steines, auf dem sich eine nicht mehr vollständig erhaltene Urne befindet, sind 5 Kinder im Halbrelief dargestellt. Die Kinder reichen sich die Hände. Die beiden außen stehenden winken mit Blumenstäußchen.
Neben den Kindern wächst ein Weinstock, dessen mittlere Rebe fünf aneinander hängende Trauben trägt. (Der Weinstock wird in der Kunst unter anderem als Symbol für die Fruchtbarkeit der Erde und das Glück der Menschen verwendet. Ein Textstreifen bezeichnet den 25. Juni 1688 als Geburtstag der Fünflinge.
Eine Hand weist auf dieses Datum hin.
Über die Fünflinge und den symbolischen Weinstock wölbt sich ein Spruchband mit folgender Inschrift:
„Uixor tua sicut vites fructifera Psalm CXXVIII
(= „Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock“, Anm. E. P.)
Sieh da ein fruchtbar Weib von Himmel selbst erkohren
Fünf Kinder auf einmahl hat sie beglückt gebohren
den 25. Jun. Ao. 1688
Was noch zu keiner Zeit in Lomatzsch ist geschehen,
kannst Du zu Gottes Preiß auf diesem Steine sehen.“
Die unteren Drittel des Steines tragen den Spruch, der bei der Bestattung der Fünflingseltern verwendet wurde:
„Beyder Leichen Text
Psalm XXV 17,18
Die Angst meines Hertzens ist groß, führe mich
aus meinen / Nöthen. Siehe an mein Jammer und Elend
und vergib mir/ alle meine Sünde.“
Darauf folgt ein 9 Verse umfassender Text, der sich an den Betrachter des Denkmals richtet. Nur 7 Zeilen sind noch vollständig lesbar. (Auch die von Gurlitt im Jahre 1923 veröffentlichte Abbildung des Steines weist dieses Maß an Beschädigung auf.) Der Text lautet:
„Schau Leser dieses Grab mit allen Fleise an,
Zwey Christen decket es die Jesu treu verblieben,
und dero Seelen sich auch noch in Todte lieben.
Was unser Lommatzsch noch zu keiner Zeit gesehen,
Das ist in ihrer Ehe durch Gottes Hand geschehen.
Fünff Kinder auf ein mahl begrüsten diese Welt
Die Jesus bald darauf nahm in das Himmelszelt.
Auf der anderen Seite des Steines, der eigentlichen Vorderseite sind die Namen, Geburts- und Sterbedaten sowie verschiedene Ereignisse aus dem Leben der Eltern Samuel und Marie Kühn aufgezeichnet. Die gewölbte, von 2 Voluten begrenzte Vorderseite des Grabmales ist dicht mit Text beschrieben und wesentlich qualitätsvoller als die provinziell-volkstümlich gestaltete Rückseite mit den Fünflingen gearbeitet worden. Vermutlich kauften Samuel und Marie Kühn bereits zu Lebzeiten den ihrem Geldbeutel entsprechenden serienmäßig gefertigten Stein. Eine zweigeteilte Tafel, oben links und rechts von je einem knienden Engel gehalten.
Linke Inschrift
Mein Leser hier ruht in Gott Mstr. Samuel Kühn, Bürger und Kürschner allhier. Kaum er das Licht der Welt Ao 1652, d.2.May erblicket, so heiligte er in der Tauffe seinem gekreuzigten Erlöser und bliebe denselben treu: /In seiner siebenjährigen Wanderschaft, In seiner Nahrung u. Handthierung, die er als Bürger und Meister Ao / 1677 angetreten, In seinen 47jährigen Ehestande, welchen er 1678 mit .......... vollzogen ....../ Ströme des lebendigen Wassers flossen ihme von dem Leibe seines Jesu .... von seiner Gn. Hand .... auf einmal geboren .... Doch er hat sie alle voran geschicket biß auf zwei Töchter, davon die erste bey seinem Leben, die andere bald nach seinem Todte verheirathet. Sein Jesus zoge ihn zwar nahe zu seinem Kreutze sowohl in den gantzen Lebenswandel als in der 26 Wochen lang dauernden beschwerlichen Krankheit. Er blieb aber beständig bis an das 73. Jahr seines Lebens. In diesem starb er am 23. Mart. 1725 .... dann ruffte ihn Jeus vom Kreutze zur Krohne, vom Kampfe zum Siege, vom Todte zum Leben.
Rechte Inschrift:
An der Seite ihres Ehemannes schläft wie im Leben, so auch im Todte Fr. Maria weyl. Martin ........ E. E. Rats Weinschencken allhier Tochter. / Diese ist vor vielen gewesen wie ein Wunder. Die Wunderhand des Höchsten zoge sie Ao 1657 d. 14. May glücklich und eben diese verband sie Ao 1678 mit Mstr. Samuel Kühn, Bürger und Kürschner allhier. / Sie wurde in ihrem 47 jährigen Ehestande 16 mahl eine fröhliche Kindesmutter und die Wunderhand Gottes stärkte sie jedesmahl. Besonders als sie Ao 1688 am 22. Juni fünf Kinder auf einmahl lebendig gebahr als 3 Söhne und 2 Töchter, welche auch alle biß auf ein Söhnlein die heilige Tauffe erlanget .... / Gottes Wundergüte .... als er ihre beyden noch lebenden Töchter noch wohl versorgte. Die erste Frau Reginen mit Mtr. Daniel Bretschneider, Bürger u. Lohgärber allhier. In ihrem Wittben Stande, den sie seit Ao 1723 einsam u. fromm geführt war Jesus ihr Trost. Deme blieb sie getreu biß in den Tod, welcher ihr die Himmels-Pforten aufthat Ao 1732 d. 26. Aug. im 75. Jahre ihres Alters 5. 11 Tage. Gehe hin Leser und denke an das Wort Davids: Der Herr führet seine Heiligen wunderlich.
Die Rückseite wurde später von einem anderen ortsansässigen Steinmetz bearbeitet. Damit ließen sich die stilistischen Unterschiede in der Gestaltung der Vorder- und Rückseite erklären. Auf dem Friedhof zu Lommatzsch ist dein bezüglich der Vorderseite nahezu identischer Stein zu finden. Die Urne scheint später aufgesetzt worden zu sein. An dieser Stelle gehörte wahrscheinlich ein nach oben gewölbter halbrunden Aufsatz, dessen aus der gleichen Serie stammenden Double in Juni 1986 durch den Verfasser an der Mauer des jetzigen Friedhofes gefundenen und sichergestellt werden konnte.
Der durch Witterungseinflüsse beschädigte Stein stand noch 1935 im Freien auf dem Lommatzscher Friedhof im Eingangsbereich, wurde 1936 umgesetzt und erhielt anlässlich der 700-Jahr-Feier der Stadt 1986 einen neuen Standort in der ehemaligen Brauthalle der Stadtkirche zu Lommatzsch.